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Onkologische Rehabilitation bei und nach Brustkrebs

Dass es die Möglichkeit einer Reha nach Brustkrebs gibt, weiss längst nicht jede betroffene Frau; nicht einmal alle Onkologinnen und Onkologen sind darüber hinreichend informiert. Und das ist auch nachvollziehbar, wenn man weiss, wie eine Krebstherapie verläuft.

Therapien in kurzen Abständen über mehrere Jahre

Nach einer Operation werden die Patientinnen meist nach ein paar Tagen aus dem Akutspital entlassen. Die weiteren Therapien, zum Beispiel die Chemotherapie, finden ambulant statt. Doch auch nach der Chemotherapie ist die Behandlung vielfach noch nicht abgeschlossen. 70 bis 80 Prozent der Frauen erhalten im Anschluss eine antihormonelle Therapie, die häufig über fünf oder zehn Jahre alle paar Wochen ansteht. 20 Prozent der Betroffenen wird zusätzlich eine Antikörpertherapie empfohlen, was bedeutet, dass sie alle drei Wochen eine Infusion erhalten.

All diese Therapien und die nötigen Termine im Alltag unterzubringen und dazwischen auch noch eine Reha einzuplanen, kann tatsächlich schwierig sein. Dann kann ein Konzept, wie es die Klinik Gais anbietet, sehr hilfreich sein, weil hier die Möglichkeit besteht, die Krebstherapien während der Reha weiterzuführen. Die Terminfindung wird einfacher und der Aufenthalt muss nicht unterbrochen werden.

Multiple Nebenwirkungen sind häufig sehr belastend

Die modernen Krebstherapien sind effizient – und gerade bei Brustkrebs ist die Überlebensrate heute sehr hoch: 80 Prozent der Frauen sind 5 Jahre nach der Diagnose noch am Leben. Der Preis dafür sind vielfältige Nebenwirkungen. So führt etwa die Chemotherapie bei bis zu einem Drittel der Fälle zu Nervenschäden, die sich durch Kribbeln, Taubheit, Missempfinden oder Gleichgewichtsstörungen bemerkbar machen. Nach einer Antihormontherapie können zudem Hitzewallungen, Muskel- und Gelenkschmerzen auftreten. Aber auch die Psyche leidet: Alle Menschen, die mit Krebs konfrontiert sind, haben eine hohe psychische Belastung, eine psychologische Betreuung ist daher in vielen Fällen ratsam.

In der Sendung «Gesundheit heute» sprach Dr. Hass über die Reha nach Brustkrebs. Seine Patientin leidet unter «Fatigue», einer häufigen Nebenwirkung.

Frühe Behandlung, um Chronifizierung zu vermeiden

Auch weil viele Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind, noch jung sind, Jobs und Familien haben, wird an eine Rehabilitation häufig nicht gedacht. Dabei leiden die Betroffenen oft an einer ganzen Reihe von Nebenwirkungen gleichzeitig, und gerade dieser Umstand spricht für eine stationäre Reha. Denn die verschiedenen Massnahmen, die in einem Reha-Programm Platz finden können, sind ambulant kaum zu realisieren: Wenn man medizinische, pflegerische und psychologische Betreuung, Physiound Ergotherapie, Medizinische Trainingstherapie, Aromatherapie, Kreativtherapien, Entspannungsmethoden, Energiemanagement, Ernährungsberatung, Sozialberatung und weitere Massnahmen mehrere Wochen lang in den Alltag einbauen wollte, wäre das organisatorisch wohl ein Unding.

Der Chefarzt Onkologie in der Klinik Gais, PD Dr. med. Holger Hass, empfiehlt, wann immer möglich, eine frühe Rehabilitation: «Grundsätzlich sollten betroffene Frauen ihre Nebenwirkungen so rasch als möglich behandeln lassen. Einerseits, weil sie sehr belastend sein können und durch die Behandlungen gut in den Griff zu bekommen sind. Andererseits aber auch, weil es nicht selten zur Chronifizierung kommt und es dann noch schwieriger wird, die Nebenwirkungen zu lindern.»

Doch auch später würde Dr. Hass immer empfehlen, einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen: «Auch wenn schon einige Zeit vergangen ist und noch verschiedene Beschwerden da sind, die das Leben beeinträchtigen, stehen die Chancen auf eine Bewilligung einer stationären Reha gut. Manchmal sind Therapien auch ambulant möglich, das muss man je nach Beschwerden abwägen, wir helfen da gerne bei der Entscheidung.»

Hürden abgebaut: Reha ist trotz laufender Krebstherapie möglich

Stichwort «frühe Reha»: In der Klinik Gais wird bereits seit mehreren Jahren die Integrierte Onkologische Rehabilitation angeboten, was ein Novum in der Rehabilitation ist: Nach Absprache mit den zuweisenden Onkologinnen und Onkologen besteht die Möglichkeit, die systemische Krebstherapie inklusive Chemo-, Antihormon- oder Antigentherapie weiterzuführen. So können Betroffene ihren Reha-Aufenthalt früh beginnen und müssen keine Unterbrechungen in Kauf nehmen – was ebenjene Hürden abbaut, derentwegen eine Reha oft gar nicht erst in Betracht gezogen wird.

Holger Hass: «Das erleichtert den Patientinnen vieles, und wir können früh damit beginnen, sie auf dem Weg der Genesung zu unterstützen. Als ebenso wichtig wie Medizin, Pflege und Therapien erachten wir die Aufklärung und Schulung der Patientinnen. Für eine verbesserte Lebensqualität bei krebsinduzierten Nebenwirkungen ist es ausgesprochen wichtig, zu wissen, welche Therapien, Aktivitäten und Massnahmen hilfreich sind und wohin man sich mit Fragen oder Beschwerden wenden kann. All das trägt erwiesenermassen auch zu einer besseren Prognose hinsichtlich eines erneuten Auftretens des Krebses bei.»

 

«Für eine verbesserte Lebensqualität bei krebsinduzierten Nebenwirkungen ist es ausgesprochen wichtig, zu wissen, welche Therapien, Aktivitäten und Massnahmen hilfreich sind und wohin man sich mit Fragen oder Beschwerden wenden kann.»

PD Dr. med. Holger Hass
Chefarzt Onkologie in
der Klinik Gais

 

Dr. Hass im Gespräch mit einer Patientin

Spezialisiertes Team in Pflege und Therapien

Spezialisierte Mitarbeitende sind ein wichtiger Pfeiler Dr. Hass ist ein ausgewiesener Experte in der Rehabilitation von Brustkrebs; er arbeitet bereits viele Jahre auf diesem Gebiet. Ihm ist daher die Spezialisierung seiner Mitarbeitenden wichtig:

«Von medizinischer Seite ist es notwendig, die Nebenwirkungen und die passenden Therapien gut zu kennen, um auch gezielt danach fragen zu können. Damit kann man sicherstellen, dass nichts übersehen wird, wie das mitunter bei der Polyneuropathie vorkommt. Und auch unsere Mitarbeitenden in der Pflege und in den Therapien haben spezielle Ausbildungen auf ihren Gebieten: Wir beschäftigen beispielsweise eine Breast-Care-Nurse, Lymphtherapeutinnen sowie spezialisierte Ergotherapeutinnen und -therapeuten, die sich um Nervenschädigungen nach Brustkrebs kümmern. In der Physiotherapie sind die Mitarbeitenden etwa speziell auf Bewegungseinschränkungen der Arme geschult, und die Sporttherapeuten sind ausgebildet für die Behandlung der Fatigue, worüber 50 Prozent der betroffenen Frauen nach abgeschlossener Therapie klagen – und die insbesondere auch beruflich relevant ist. Und nicht zuletzt sind unsere Psychoonkologen zu nennen, die sich um die psychische Belastung der Patientinnen kümmern.»

Die Prognosen sind gut, aber die Angst bleibt

Gerade auch psychisch ist eine Krebsdiagnose eine riesige Herausforderung. Denn es muss nicht nur die Erkrankung verarbeitet werden; es müssen nicht nur die Therapien und die Beschwerden ertragen werden, sondern auch die Gedanken daran, dass der Krebs wiederkehren könnte. Auch wenn die Prognosen heute sehr günstig sind, weiss die einzelne Frau nicht mit Sicherheit, ob sie zur Gruppe derer gehört, die ihre Krebserkrankung überleben. Diese Ungewissheit macht Angst. Und auch damit beschäftigen sich Betroffene in einer stationären Rehabilitation intensiv, wie Dr. Hass zu berichten weiss:

«Der Körper erholt sich nach einem solchen Schicksalsschlag schneller als die Seele. Damit ein gutes Weiterleben und gegebenenfalls die Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich ist, brauchen die Frauen daher eine Auszeit, in der sie sich bewusst um sich und ihre Genesung kümmern können.» Dafür stehen den Patientinnen zusätzlich zur umfangreichen medizinischen und körpertherapeutischen Betreuung verschiedene komplementärintegrative Massnahmen zur Verfügung, wie sie sie ausserhalb eines stationären Settings kaum finden können: Unter anderem können sie ihre Therapien mit Musik- und Kunsttherapie, Aromatherapie, Einzelgesprächen, Muskelrelaxation, Qigong oder Yoga ergänzen. «Und nicht zuletzt machen wir uns auch die wunderschöne Gegend zunutze, in der die Klinik liegt», so Holger Hass. «Denn die Natur hat, wie wissenschaftliche Daten zeigen, sehr positive gesundheitliche Einflüsse.»

Reha-Angebot ist vielfach nicht bekannt

Die sehr belastenden Nebenwirkungen einer Krebstherapie werden auch von Fachpersonen oft unterschätzt. Zudem ist es in der Schweiz noch nicht flächendeckend bekannt, dass Frauen mit Brustkrebs Anspruch auf einen Rehabilitationsaufenthalt haben. Mehr unter: www.kliniken-valens.ch/brustkrebs

 

Der Artikel ist im Voilà-Artikel Herbst/Winter 2022 erschienen.

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